Eine Infografik, die die Geschichte eines Flusses zeigt.

Erfolgsgeschichte Gewässerschutz

Am 28. April 1961 fand eine grosse Kundgebung im Verkehrshaus der Schweiz zum Thema «Der Gewässerschutz als Aufgabe unserer Generation» statt. Dies war der Anlass für den Künstler Hans Erni, ein Wasser-Totenkopf-Plakat zu schaffen, das grosse Bekanntheit erreichen sollte.

Neben Bundesrat Hans Peter Tschudi umrahmten damals auch Prof. Otto Jaag, Direktor der EAWAG und der Verwaltungspräsident der Ciba, Dr. Robert Käppeli die Veranstaltung und unterstrichen die Bedeutung des Gewässerschutzes. 60 Jahre später zeigt der 11-minütige Film «60 Jahre Rettet das Wasser» vom bekannten Schweizer Regisseur Roman Hodel , wie der Zustand der Gewässer in den 60er-Jahren war und was in den vergangenen 60 Jahren im Bereich Gewässerschutz erreicht wurde:

Saubere Gewässer sind keine Selbstverständlichkeit – ein Blick zurück

Antike

Obwohl alleine im alten Rom weit über hundert öffentliche Bedürfnisanstalten existierten, litten im gesamten römischen Reich viele Menschen an Darmkrankheiten. Die Römer wischten sich den Allerwertesten nämlich mit ebenfalls «öffentlichen» Bürsten und Schwämmen ab. Damit waren die Toiletten wahre Keimherde und bei weitem nicht so hygienisch, wie man gemeinhin annimmt.

Gewässerverschmutzung im Römischen Reich

Unter den marmornen, mit Löchern versehenen Sitzbänken der öffentlichen Bedürfnisanstalten verlief eine Abflussrinne, die kontinuierlich mit Wasser gespült wurde. Dadurch gelangten die Fäkalien in das nächste Gewässer. In Rom war der Stadtfluss Tiber so stark verschmutzt, dass die Schriftsteller vom Verspeisen von lokal gefangenem Fisch abrieten: «Fische aus solchem Gewässer stinken, schmecken schlecht und sind schwierig in der Zubereitung.» Unsere heutigen Gewässer sind somit deutlich sauberer als die Stadtflüsse in römischen Zeiten!

Ein Bild einer Frau mit Brille und Blazer.

Die Schweiz ist besonders reich an Wasser, die Vielfalt der Gewässer ist faszinierend. Neue Herausforderungen, wie trockene Sommer, Starkregen, Nutzungsansprüche, neue Stoffe setzen die Gewässer bzw. unser Wasser weiterhin unter Druck.  Daher setze ich mich für den Schutz unserer Gewässer und einen nachhaltigen Umgang mit Wasser ein.

Martina Küng, Leiterin CC Gewässer

Mittelalter: «Stadtluft macht krank»

Im Vergleich zum Mittelalter gilt das Römische Reich trotzdem als Hort der Hygiene. Zu dieser Zeit war es nämlich üblich, die Notdurft auf der Strasse zu verrichten. Weil dort zudem Schweine und Hühner frei herumliefen, lebte die Stadtbevölkerung in ständigem Schmutz. Es hat wohl mächtig gestunken. Die fehlende Ableitung der Abwässer führte immer wieder zur Verseuchung von Trinkwasserbrunnen, die innerhalb der Siedlungen lagen. Verheerende Typhus- und Choleraepidemien waren die Folge. Dadurch war die Lebenserwartung in den Städten deutlich geringer als auf dem Land. Irrigerweise führten die Leute dies aber nicht auf die katastrophale Siedlungshygiene zurück, sondern auf die immense Geruchsbelästigung. Erst im 19. Jahrhundert forderten Ärzte, Städteplaner und Architekten im Zuge der Kloakenreform eine kontrollierte Abfuhr des Abwassers. Dank den Anstrengungen zur Verbesserung der Siedlungshygiene verdoppelte sich die Lebenserwartung von 40 auf 80 Jahre.

Zunehmende Gewässerverschmutzung

Der Gewinn an Lebensqualität ging mit einer deutlichen Zunahme der Gewässerverschmutzung einher. Denn die aus den Siedlungen abgeleiteten Abwässer gelangten ungereinigt in Bäche, Flüsse und Seen. Weil es in der Schweiz noch bis zu Beginn der 1960er-Jahre kaum Kläranlagen gab, führte dies in den Gewässern zu Schaumteppichen, ausgedehnten Algenblüten und stinkenden Algenteppichen. Letztere behinderten nicht nur die Schifffahrt, sondern bewirkten in vielen Seen auch massive Fischsterben. Denn durch den bakteriellen Abbau der organischen Substanz fehlte vor allem in tieferen Wasserschichten Sauerstoff. Aus gesundheitlichen Gründen verfügten die Behörden vielerorts Badeverbote bis in die 70erJahre. Wer trotzdem ins Wasser sprang, riskierte, neben treibenden Fäkalien wieder aufzutauchen.

Noch Ende des 19. Jahrhunderts werden Abwässer und Abfälle direkt in die Gewässer entsorgt. Das Foto zeigt den Birsig in Basel um 1880.

1944: Gründung des VSA

Weil während des zweiten Weltkriegs jeglicher Kontakt mit dem Ausland verloren ging, schliessen sich im Juni 1944 23 Ingenieure und Fachleute aus der Verwaltung zum VSA zusammen. Der Mitgliederkreis wird schon bald mit Vertretern von Firmen, Bund, Kantonen und Gemeinden erweitert, so dass ein umfassender schweizerischer Fachverband entsteht.

Aus Sorge um die schlechte Wasserqualität engagieren sich die ersten VSA-Mitglieder für die Beratung, Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Abwassertechnik sowie für die Überwachung der Gewässerqualität. In dieser Zeit gibt es in der Schweiz noch kaum Fachleute für die Planung, den Bau sowie den Betrieb von Kläranlagen. Das Know-how auf diesem Gebiet muss also zuerst aufgebaut werden. Dies gelingt am besten, wenn die beteiligten Akteure – von Behörden, Forschungsstellen, ARA-Zweckverbänden, Ingenieurbüros sowie Bau- und Lieferfirmen – sich im VSA vernetzen, konstruktiv zusammenarbeiten und den Erfahrungsaustausch pflegen.

Erstes Gewässerschutzgesetz und Subventionen

Ende der 1950er Jahre waren weniger als 10 Prozent der Schweizer Bevölkerung einer öffentlichen ARA angeschlossen. Durch den zunehmenden Einsatz von synthetischen Tensiden in Wasch- und Reinigungsmitteln sowie die immer intensivere landwirtschaftliche Nutzung des Mittellandes verschärfen sich die Gewässerschutzprobleme dramatisch

Schaumteppich auf der Limmat unterhalb von Zürich Anfang der 1960er-Jahre.

Das erste Gewässerschutzgesetz tritt 1957 in Kraft, zeigt aber zunächst nur wenig Wirkung. Dies ändert sich, als der Bund den Bau von Kläranlagen ab 1962 finanziell unterstützt und damit einen starken Anstoss zum raschen Aufbau einer landesweiten Infrastruktur zur Siedlungsentwässerung gibt. Der Bund zahlte im Durchschnitt rund 30% der Baukosten, die Kantone steuerten weitere 30% bei.
Nur 20 Jahre später leiten etwa 80 Prozent der Bevölkerung und fast alle Betriebe ihr Abwasser in eine ARA. Praktisch parallel zum Bau der öffentlichen Kläranlagen wird auch das Kanalnetz in Rekordzeit auf eine Gesamtlänge von derzeit 130‘000 Kilometern Länge erweitert.

Schaum auf der Aare bei Aarburg; 1962

1965: Schulung für Klärwerkfachleute

Nach der Erarbeitung von einheitlichen technischen Dimensionierungsgrundlagen und dem Bau von Kanalisationsnetzen und Abwasserreinigungsanlagen erkennt der VSA, dass auch die modernsten Anlagen ihren Zweck nur erfüllen können, wenn sie durch geschultes Personal fachgerecht betrieben und unterhalten werden. Da noch keine Berufsausbildung für Klärwärter besteht, springt der VSA in die Lücke und nimmt deren Aus- und Weiterbildung in sein Arbeitsprogramm auf.

Enorme technische Fortschritte

Angetrieben von den Forschungserfolgen der Eawag, deren Erkenntnisse – insbesondere auch über den VSA – in die Praxis der Abwasserreinigung einfliessen, werden die technischen Verfahren laufend verbessert. Zusätzlich zur mechanischen Vorreinigung, zum Nährstoff-Abbau in der biologischen Stufe sowie zur Schlammbehandlung kommen weitere Prozesse – wie etwa Nitrifikation, Denitrifikation, Phosphatfällung und biologische Phosphorelimination – dazu. In Versuchsanlagen werden sie von Fachleuten der Eawag, die eng mit dem VSA verbunden sind, zur Praxisreife entwickelt und kontinuierlich optimiert.

Die Abwasserreinigung entwickelt sich bis heute kontinuierlich weiter:

  • Erste Stufe: In den 1950er-Jahre beschränkt sich die Abwasserreinigung vielfach auf die mechanische Reinigung, d.h. den Betrieb einer Vorklärung. Damit wird jedoch nur ein Teil der organischen Belastung aus dem Abwasser entfernt.
  • Zweite Stufe: In den 1960er-Jahren setzt sich die biologische Abwasserreinigung durch, insb. das Belebtschlammverfahren. Damit werden rund 90% der biologisch abbaubaren Stoffe aus dem Abwasser entfernt.
  • Dritte Stufe: In den 1970er-Jahren werden die grossen Kläranlagen mit einer chemischen Reinigungsstufe in Form einer Phosphatfällung ausgerüstet. Damit wird zusätzlich zu den biologisch abbaubaren Stoffen auch der algenfördernde Phosphor aus den Abwässern eliminiert.
  • Stickstoffelimination: Um das fischtoxische Ammonium resp. Nitrit sowie das düngewirksame Nitrat aus dem Abwasser zu entfernen, werden die ARA in den 1980er– und 1990er-Jahren vergrössert und ausgebaut (sog. Nitrifikation resp. Denitrifikation).
  • Vierte Stufe: Ab den 2010er-Jahren geraten die sog. Mikroverunreinigungen (Spurenstoffe) in den Fokus der Gewässerschützer. Ab 2014 werden ausgewählte ARA durch den Bund verpflichtet, diese aus dem Abwasser zu entfernen. Dazu kommen vorwiegend Verfahren mit Aktivkohle oder mit Ozonierung zur Anwendung.

1971: Abwasserreinigung wird Vorschrift

Das 1971 erlassene zweite Gewässerschutzgesetz verlangt u.a. die Behandlung jeglicher Abwässer vor der Einleitung resp. Versickerung, schreibt den Kläranlagen im Einzugsgebiet von Seen die Phosphatfällung vor, legt für verschiedene Nähr- und Schadstoffe numerische Anforderungen als Qualitätsziele für Fliessgewässer und erhebt Grundwasserschutzzonen zur Pflicht.

Unter dem Druck dieser strengeren Vorschriften setzen sich die verschiedenen Verfahren zur Abwasserreinigung relativ rasch durch.

1986: Phosphatverbot

1986 setzen die Behörden schliesslich ein Phosphatverbot für Textilwaschmittel durch. Dazu kommen weitere Massnahmen an der Quelle wie griffigere Düngemittelvorschriften in der Landwirtschaft, Einschränkungen des Verbrauchs wassergefährdender Stoffe bis hin zu Verboten sowie Auflagen zur Vorbehandlung belasteter Abwässer aus Industrie- und Gewerbebetrieben.

1 kg Phospor in stehenden Gewässern bewirkt Wachstum von 1 t Algen
Ein in ein stehendes Gewässer gelangendes Kilogramm Phosphat löst das Wachstum von rund einer Tonne Biomasse (Algen) aus. Wenn die Algen absinken, werden im Tiefenwasser 140 kg Sauerstoff verbraucht, was dem Sauerrstoffgehalt von 16000 Kubikmetern Wasser entspricht. (Quelle: VOKOS-Bericht/BG Ingenieure & Berater AG).

1989: Generelle Entwässerungsplanung (GEP)

Fast zehn Jahre bevor die Gewässerschutzverordnung (1998) die Erstellung von generellen Entwässerungsplänen verlangen wird, publiziert der VSA im Jahr 1989 die «Richtlinie für die Bearbeitung und Honorierung des GEP» und im 1992 das sog. «GEP-Musterbuch». Für eine ganze Generation von Ingenieuren bilden diese Dokumente die Grundlage für die Erarbeitung der Erst-GEP. Die periodische Aktualisierung der GEP inkl. Zustandsaufnahmen garantiert die systematische Planung und Umsetzung der Werterhaltungsmassnahmen und somit ein funktionstüchtiges Abwasserentsorgungssystem. Der GEP zeigt den Ist-Zustand, den Handlungsbedarf sowie die entsprechenden Massnahmen auf und ist damit auch heute noch DIE Grundlage für den Gewässerschutz auf regionaler und kommunaler Ebene.

1994: Verursachergerechte Finanzierung

Seit 1991 verankerte das Gewässerschutzgesetz im Art. 60a für die Finanzierung der Abwasserentsorgung das Verursacherprinzip. Seither müssen die Kosten für Bau, Betrieb, Unterhalt, Sanierung und Ersatz der Abwasseranlagen über Gebühren finanziert werden. Der Einsatz von Steuermitteln ist nicht mehr zulässig. Die VSA-FES Richtlinie «Finanzierung der Abwasserentsorgung» schlägt verschiedene Modelle für die verursachergerechte Finanzierung auf Gemeinde- und Verbandsebene vor. Weil diese Modelle auch die für zukünftige Sanierungen notwendigen Rückstellungen umfassen, ist seither auch die Finanzierung der in den GEP aufgezeigten Werterhaltungsmassnahmen sichergestellt.

2002: Bewirtschaftung des Regenwassers

Siedlungsentwässerung bedeutete während Jahrzehnten das möglichst rasche Ableiten sämtlicher Abwässer aus den Siedlungen. Erst mit dem neuen Gewässerschutzgesetz kam der Grundsatz auf, dass «nicht verschmutztes Abwasser» in erster Priorität zu versickern ist. Weil auch die Gewässerschutzverordnung von 1998 nicht klar definierte, welches Regenwasser als verschmutzt gilt (und somit behandelt werden muss) resp. als nicht verschmutzt (und in 1. Priorität versickert werden soll), konkretisiert der VSA in seiner Richtlinie «Regenwasserentsorgung» diese Unterscheidung. Das für damalige Verhältnisse europaweit richtungsweisende Regelwerk legt die Basis für einen nachhaltigen Umgang mit Regenwasser.

2014: ARA eliminieren neu auch Mikroverunreinigungen

Zum Schutz der Gewässer vor Substanzen wie Medikamenten, Hormonen oder Bioziden, welche die Gesundheit und die Fortpflanzung der Fische bereits in sehr tiefen Konzentrationen gefährden können, beschliesst das Parlament, dass in der Schweiz rund 100 Kläranlagen speziell aufgerüstet werden sollen. 2021 beschloss das Parlament ein weitere Erweiterung der ARA-Aufrüstung um weitere 200-300 ARA. Weil es sich dabei um neue Technologien handelt und viel Grundlagenwissen zuerst erarbeitet werden muss, beauftragt das BAFU im 2012 VSA und Eawag, die sog. «Plattform Verfahrenstechnik Mikroverunreinigungen» zu betreiben. Ab dem Jahr 2014 betreiben VSA und Eawag mit der «Plattform Wasserqualität» eine weitere nationale Drehscheibe. Diese trägt mit ihren NAWA-SPEZ-Messungen viel dazu bei, dass die negativen Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf unsere Gewässer breit diskutiert und durch die Politik aufgegriffen werden.

Situation heute: Ein Bauwerk der Superlative

Mittlerweile sind 98 Prozent aller Haushalte einer ARA angeschlossen, womit das Ausbaupotenzial praktisch ausgeschöpft ist. Alle diese Fortschritte haben die natürlichen Gewässer markant von Nährstoffen, Schwermetallen und weiteren problematischen Substanzen entlastet. Sie haben damit nicht nur eine Aufwertung der Lebensraumqualität für Wasserorganismen erfahren, sondern laden inzwischen auch wieder zum sorglosen Baden ein. Seuchen und Krankheiten aufgrund mangelnder Siedlungshygiene gehören längst der Vergangenheit an.

Doch neue Herausforderungen kommen stetig auf uns zu und müssen angepackt werden: (Klimawandel, Nutzungsdruck, neue Substanzen, Bevölkerungswachstum, etc.). Siehe auch Zukunftsthemen.

Eine Gruppe von Menschen in Badekleidung springen von einer Brücke in die Aare.
Anders als in den 1960er Jahren ist heute das Baden in den Schweizer Gewässern wieder möglich. Weltweit gehören sie zu den saubersten.

Skip to content