Fakten

Medikamente und ihre Rückstände gelangen auf unterschiedlichen Wegen in die Umwelt. Ein Weg verläuft durch unseren Körper. Von den Medikamenten, die wir einnehmen, scheiden wir nämlich einen Teil wieder aus. Selbst wenn wir die Stoffe in unserem Körper abbauen, werden einzelne Bestandteile, sogenannte Metaboliten, ausgeschieden. Medikamente und ihre Metaboliten können sich nachteilig auf die Umwelt auswirken. Einige davon werden weder in der Kläranlage noch in der Umwelt abgebaut, sie sind also langlebig oder persistent. 

Über WCs und Lavabos in die Gewässer

Doch nicht nur durch unseren Körper gelangen Medikamente ins Abwasser. Dort landen auch ungebrauchte Mittel, die unsachgemäss in der Toilette oder im Lavabo entsorgt wurden. Kläranlagen können die Arzneien nicht vollständig aus dem Wasser entfernen. Arzneimittelrückstände werden deshalb in fast allen Seen und Flüssen, aber gelegentlich auch im Grundwasser und sogar im Trinkwasser nachgewiesen. Sehr relevant ist das Schmerzmittel Diclofenac und die beiden Antibiotika Clarithromycin und Azithromycin. Für diese Stoffe wurde in der Gewässerschutzverordnung GSchV einem stoffspezifischen Grenzwert verankert. Diese Arzneimittel werden in Schweizer Oberflächengewässern in Konzentrationen nachgewiesen, die ein Risiko für Gewässerorganismen darstellen.

Dass gerade diese Arzneimittel in relativ hohen Konzentrationen vorkommen, hat nicht nur damit zu tun, dass sie besonders häufig eingenommen werden. Relevant ist auch, wie gut sie in der Kläranlage aus dem Wasser entfernt werden und wie schnell sie in der Umwelt abbaubar sind. Insbesondere sind beispielweise Röntgenkontrastmittel sehr stabil, können weder in der ARA noch der Trinkwasseraufbereitung entfernt werden. Sie bauen sich nur langsam ab. Problematisch sind auch hormonaktive Medikamente wie zum Beispiel Anti-Baby-Pillen. Diese Stoffe können schon in sehr kleinen Konzentrationen starke Wirkung zeigen. 

Medikamente aus der Landwirtschaft

Auch über die Landwirtschaft gelangen Medikamente in die Umwelt. Tierarzneimittel werden von den Nutztieren ebenfalls ganz oder teilweise wieder ausgeschieden. So gelangen sie mit den Ausscheidungen oder als Gülle auf Weiden und Felder und dadurch direkt in den Boden. Da in der Landwirtschaft zum Teil grosse Mengen von Medikamenten zum Einsatz kommen, sind die Folgen besonders gravierend. 

Folgen

Was Menschen bei der Heilung unterstützt, kann anderen Lebewesen Schaden zuführen. So wurden unerwünschte Effekte von Medikamenten bei zahlreichen Organismen in der Umwelt nachgewiesen. Einige Antibiotika sind sehr stabil und reichern sich im Boden an. Dort werden sie von Pflanzen aufgenommen und gelangen so in die Nahrungskette. Das gilt besonders für Kulturpflanzen, die mit Gülle oder Mist gedüngt werden. Deshalb kann auch pflanzliche Nahrung Rückstände von Antibiotika enthalten. Diese weite Verbreitung von Antibiotika in der Umwelt führt zudem zur Resistenzbildung in Bakterien: Sie passen sich an und wiederstehen der Wirkung von Antibiotika. Resistente Krankheitserreger können die Behandlung einer Infektion erschweren oder sogar verunmöglichen. Das kann langfristig ernsthafte Konsequenzen für uns Menschen haben. 

Bei Forellen und anderen Fischen führen Arzneimittel oder hormonaktive Substanzen wie man sie zum Beispiel in Anti-Baby-Pillen findet, zur Schädigung der inneren Organe, zur Verweiblichung und Unfruchtbarkeit männlicher Tiere oder zu Verhaltensänderungen.
Auch bei Bodenbakterien, Algen, Insekten und Fröschen sind Populationsveränderungen, Entwicklungsstörungen oder das Absterben von Eiern und Larven zu beobachten. Sogar grosse Vögel reagieren sensibel auf den Medikamenten-Eintrag. Dies zeigt unter anderem der beeindruckende Fall des Bengal-Geiers, bei dem das Schmerzmittel Diclofenac zu Nierenversagen führt. Entsprechende Umwelteinträge haben zu einem massiven Populationseinbruch der Geier beigetragen. Die Verwendung von Diclofenac in der Tiermedizin wurde in einzelnen Ländern verboten, nachdem man seine schädliche Wirkung auf die Geier erkannt hatte. Deshalb ist es nötig und wünschenswert, dass wir weniger Medikamente in die Umwelt abgeben.

Um Ärzten die Möglichkeit zu geben, vermehrt umweltverträgliche Arzneien zu verschreiben, hat Schweden ein Umweltinformations- und Klassifikationsportal für Medikamente geschaffen.

Gesundheitsbetriebe wie Arztpraxen, Spitälern oder Kliniken können in die zwei Kategorien stationär und ambulant unterteilt werden.
Stationäre Patienten scheiden Medikamente und Kontrastmittel in der Institution aus, zum Beispiel in einem Heim, einem Spital oder einer Klinik.
Nach einer ambulanten Behandlung im Spital bzw. der Arztpraxis kehren die Patientinnen und Patienten nach Hause zurück und die Medikamente gelangen grösstenteils über häusliches Abwasser in die Kanalisation.
Desinfektions- und Reinigungsmittel fallen bei allen Betrieben, sowohl mit stationären als auch ambulanten Patienten, immer im betrieblichen Abwasser an.

Vor allem Schmerzmittel, Hormone und Antibiotika sind für die Lebewesen im Gewässer bereits in Kleinstkonzentrationen problematisch. Sind Fische längere Zeit Schmerzmitteln in umweltrelevanten Konzentrationen ausgesetzt, kann dies zu Organveränderungen oder Nierenschäden führen. Hormone und hormonaktive Substanzen können die Fortpflanzung von Fischen nachhaltig beeinträchtigen und stören. Antibiotika können das Wachstum von Algen und Pflanzen hemmen und somit auch die biologische Abwasserreinigung negativ beeinflussen.

Bei Antibiotika ist die Hauptsorge jedoch die potenzielle Bildung von Antibiotikaresistenzen. Die Anteile multiresistenter Bakterien und mobiler Antiresistenzgenen sind im Spitalabwasser sehr viel höher als im kommunalen Abwasser. Dies fördert die Bildung von Antibiotikaresistenzen. Darum ist es wichtig, dass möglichst alles Spitalabwasser über eine ARA geleitet wird und keine direkten Entlastungen ins Gewässer während Regenereignissen vorkommen. Eine Massnahme zur Vermeidung solcher Entlastungen sind Rückhaltebecken im Spital.

Gemäss der Informationswebsite der Wasserversorger hat das Trinkwasser in der Schweiz für die Verbreitung von krankheitserregenden Antibiotika-resistenten Bakterien in der Praxis keine Bedeutung, insbesondere auch im Vergleich mit anderen möglichen Quellen. Diesen Schluss lassen Untersuchungen der Schweizer Wasserversorger zu. Das Vorkommen vereinzelter Resistenzgene oder resistenter Bakterien im Trinkwasser kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Der relative Anteil des Spitalabwassers an der Gesamtfracht in der ARA variiert stark. Auch das Reinigen des Wassers von einzelnen Substanzen in der biologischen Stufe gelingt sehr unterschiedlich.

Wenn die ARA eine 4. Reinigungsstufe aufweist, können viele Antibiotika gut abgebaut werden. In den nächsten Jahren werden zahlreiche ARA ausgebaut. Röntgenkontrastmittel werden hingegen schlecht abgebaut. Um sie zu reduzieren, sind Massnahmen an der Quelle angezeigt, zum Beispiel mit Urinsammelbeuteln (siehe: Der Eintrag von Röntgenkontrastmitteln in die Gewässer).

Röntgenkontrastmittel werden in Spitälern und Arztpraxen eingesetzt. Sie verbessern die Darstellung von Strukturen und Funktionen des Körpers bei bildgebenden Verfahren wie Röntgendiagnostik.

Röntgenkontrastmittel sind zwar nicht direkt schädlich für die Gewässer und deren Lebewesen oder gar den Menschen. Es handelt sich aber um sehr stabile und kaum abbaubare Mikroverunreinigungen, deren Eintrag in die Gewässer vermieden werden soll. Röntgenkontrastmittel können auch von der Trinkwasseraufbereitung nicht herausgefiltert werden.

Zur Vermeidung der Verschmutzung durch Röntgenkontrastmittel eignen sich Urinbeutel am besten, die den Urin bis 24h nach Einnahme sammeln. Sie werden entweder im Spital oder nach einer ambulanten Behandlung zu Hause verwendet. Der Beutel kann im gewöhnlichen Hauskehricht entsorgt werden. Durch die Verbrennung in einer Kehrrichtverbrennungsanlage entstehen keine problematischen Rückstände.

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